Spiel und Spass als Heilungschance

Kinder toben über den Spielplatz, wühlen im Sand, jauchzen beim Schaukeln. Wenn ich so etwas sah, schaute ich meistens weg. Zu laut, zu wild und viel zu viel Trubel für mich. Zumindest dachte ich das lange Zeit. Doch damals bemerkte ich noch nicht den zaghaften Stich im Herzen.

„Spielen ist nicht mein Ding.“ oder „Ich spiele nicht gern, weil ich einige negative Erfahrungen damit gemacht habe.“ Das waren meistens meine Ausreden, wenn ich im Rahmen meiner Ausbildung zur Beteiligung an Gruppenspielen aufgefordert wurde. Manchmal gelang es mir, meine inneren Widerstände zu überwinden und mitzumachen (mit zusammengebissenen Zähnen und Zweifeln, ob ich da am richtigen Ort befinde …). Manchmal jedoch blieb ich stur sitzen und verweigerte mich der Erfahrung von Spiel und Spass.

Woher kamen meine Widerstände? Spielt denn nicht jedes Kind gern und ist es nicht eine befreiende Erfahrung für Erwachsene, wenn sie sich noch einmal der Unbeschwertheit des Spielens hingeben?

Nun, in meiner Wahrnehmung und den spärlichen Erinnerungen aus meiner eigenen Kindheit verbinde ich Spiele mit Leistungsdruck und ständigen Niederlagen. Wen wundert es da noch, dass ich als Erwachsene nicht gerne spiele?

Als ich mit der Entwicklungskinesiologie in Berührung kam, die sich – wie der Name schon sagt – mit der Entwicklung eines Babys beschäftigt, wurden uns Spiele als Intervention präsentiert. Ich gebe ehrlich zu, ich war ziemlich konsterniert. Ich soll mit meinem Klienten ein Spiel spielen, damit es ihnen besser geht?!

Ich blieb skeptisch, liess mich aber trotzdem auf die Erfahrung ein. In der Kinesiologie haben wir den Vorteil, dass wir über den Muskeltest überprüfen können, ob sich der Stress zu einem Thema nun lösen durfte, oder ob das System des Klienten noch etwas braucht. Und siehe da, nach einem Gruppenspiel, dem ich mich – meiner Skepsis zum Trotz – ein wenig geöffnet hatte, sorgte in meinem System tatsächlich für einen Ausgleich! Das zeigte mir nicht nur der Muskeltest, sondern auch meine plötzlich veränderte Wahrnehmung, die sich leichter, ja, beschwingter, anfühlte.

Wie oft ist es im Leben so, dass kleinste Handlungen schon so viel in uns bewirken. Wir brauchen nur den Mut aufzubringen, auf unsere inneren Impulse zu hören und ihnen dann zu folgen. Einmal wieder ein bisschen verrückt sein, sich auf eine Schaukel setzen oder über eine Wiese laufen. Nicht, weil es gut für die Gesundheit ist. Nein, einfach, weil es Spass macht und so viel Heilungspotential für uns in den kleinen Dingen des Lebens stecken.

Wenn ich heute spielende Kinder sehe, schaue ich nicht mehr weg. Ich beobachte sie eine Zeit lang, vielleicht mit einem kleinen Stich des Neides, aber auch einer Freude in mir, die mich auffordert, meinen ganz eigenen Weg zu finden, ihr Raum zur Entfaltung zu geben.

Und nun beginne ich immer mehr, kurze spielerische Einschübe in meinen Deutschunterricht zu integrieren, weil ich deren Wert im Lernprozess erkannt habe.